Die ungeliebten Götter

Mars, Saturn und Pluto

von Brigitte Theler

Sowohl Mars als auch Saturn und Pluto stehen astrologisch für Kräfte und Qualitäten, mit denen wir uns in der Regel zumindest anfangs schwer tun. Selbst der Mythos umgibt diese Schicksalsmächte mit einer düsteren Atmosphäre. Pluto haust in dunklen, abgelegenen und unwirtlichen Gefilden, Saturn wird lange Zeit in den Tartaros verbannt, den modrigen und tiefsten Teil der Unterwelt, und über den blutrünstigen, primitiven Mars ist nicht nur der Göttervater immer wieder empört.

Damit verkörpern alle drei Götter Qualitäten, die im Abendland vielfach geächtet oder verdrängt wurden und daher kaum in das Bewusstsein integriert werden konnten. Diese Distanzierung ist zwar verständlich, aber wenig sinnvoll und schon gar nicht heilsam.

Ungeliebte Götter sind letztlich immer Ausdruck verdrängter Anteile, im Sinne individueller, aber auch kollektiver Schattenaspekte. Wie die ungeladene dreizehnte Fee im Märchen drängen diese Mächte nach Ausdruck und fordern ihren Tribut umso stärker, als sie zuvor missachtet wurden. Sie zu integrieren hiesse dagegen, ihren Beitrag zum Ganzen zu verstehen und ihre unverzichtbaren Qualitäten zu würdigen, selbst wenn sie häufig gesellschaftlich abgewertet, tabuisiert oder gar verteufelt werden. In diesen «Übeltätern» wirken Kräfte, die als Schicksalsmächte scheinbar immer wieder die kosmische Harmonie durchkreuzen, damit aber auch helfen, Altes zu überwinden und neue Entwicklungen in Gang zu setzen.

Mars: Der Zornige

Der Mythos

Ares (röm. Mars) ist kein Kind der Liebe, und die Wut scheint ihm schon in die Wiege gelegt worden zu sein. Er ging als einziger Sohn aus der spannungsvollen Verbindung zwischen Zeus und Hera hervor. «Gezeugt» wurde er allerdings nur von seiner wütenden Mutter ohne männlichen Samen, aus Rache an ihrem Ehemann Zeus, als der ihr einmal mehr untreu gewesen war. Vor diesem Hintergrund entwickelt sich Ares denn auch zu einem ungestümen, wilden, bösartigen und damit sowohl von den Eltern, als auch von den anderen Göttern ungeliebten Kind. Als kleiner Junge wird er von einem Zwillingspaar, den Alaoaden, die dem Olymp den Kampf angesagt haben, entführt. Sie sperren ihn in ein bronzenes Gefäss und halten ihn 13 Monate gefangen. Hermes rettet den kleinen Ares, kurz bevor dieser qualvoll gestorben wäre. Geprägt von so viel Gewalt und Hass in seiner frühen Kindheit, entwickelt sich Ares später selbst zum grausamen Krieger. Keiner ist seiner unberechenbaren Streitlust gewachsen, und ihm sind Recht und Gesetz völlig gleichgültig. Bei Homer steht sein Name für Krieg, Kampfleidenschaft und Blutvergiessen, und in den meisten Darstellungen sieht man ihn als bärtigen Mann mit drohender Miene und stets bis zu den Zähnen bewaffnet. Lust an Mord und Totschlag wird ihm nachgesagt, und als er sich einmal bei seinem Vater Jupiter beklagt, weil ihm Unrecht widerfahren ist, weist ihn dieser mit folgenden Worten zurück: «Belästige mich nicht mit deinen Klagen, Unbeständiger, der du mir der verhassteste unter allen Göttern bist, die den Olymp bewohnen. Denn du hast nur Gefallen an Krieg und Streit. Wärst du nicht mein Sohn, so lägest du längst schon tiefer, als Uranos Söhne liegen.»

Begleitet wird Ares oftmals von seiner Schwester Eris, der Göttin der Zwietracht und seinen Kindern Phobos (Furcht) und Deimos (Schrecken). Ausser ihnen ist ihm nur noch Hades/Pluto wohlgesonnen, da durch das wilde Treiben des Kriegsgottes so mancher Tote in sein dunkles Reich kommt. Obwohl Ares zu den zwölf grossen olympischen Göttern zählt, war sein Kult in Griechenland nur wenig verbreitet. Es gab kaum Stätten, an denen er verehrt wurde, und selbst die Dichter haben ihn gerne ignoriert. Nur wenn es um Krieg und Kampfleidenschaft geht, tritt Ares in Erscheinung, und erst in seiner römischen Entsprechung als Mars gewinnt dieser Gott sympathische Züge und wird sogar, zusammen mit Jupiter, zum obersten Schutzgott des Römischen Reiches. Im gleichen Masse, wie die Römer sich von einem agrarischen zu einem kriegerischen Volk wandelten, wurde er immer mehr – vor allem von der Armee – als Kriegsgott verehrt.

Astrologische Bedeutung

Auch in der klassischen Astrologie stand Mars für Krieg und Zerstörung, und seine Transite wurden stets mit Konflikten oder gewaltsamen Ereignissen in Verbindung gebracht. Heute repräsentiert er vielmehr die Willenskraft und den Drang, Neues in Angriff zu nehmen oder sich gegenüber anderen zu profilieren. Er steht für unsere Durchsetzungskraft, für den Biss, mit dem wir im Leben stehen, für unseren Eroberungsdrang sowie für Trieb und Sexualität.

Auch wenn uns die Sicherungen durchgehen, hat Mars die Hand im Spiel. Innerhalb des Horoskops kann er vor allem dann zur unberechenbaren Kraft werden, wenn er seine ungestüme Egostärke zügellos (das heisst ohne jegliche Verbindung zu anderen Planeten) zum Ausdruck bringt. Im Dienste der Sonne ist er die Kraft, mit der wir unseren Willen durchsetzen, unsere Ziele erreichen und uns im Leben behaupten.

Psychologische Bedeutung

Die Marskraft steht für die gesunde, lebensnotwendige Aggressivität, die uns hilft, unsere Rechte zu wahren und im alltäglichen «Kampf» zu bestehen, aus der letztlich dann die Motivation hervorgeht, neue Dinge in Angriff zu nehmen. Als rastlose, drängende Kraft fordert Mars uns dazu auf, entschlossen neue Wege zu gehen und nicht in alter Routine zu verharren.

Beim Kleinkind ist die Marsenergie erstmals bei der Geburt gefordert, wenn es darum geht, sich als eigenständiges Lebewesen den Weg aus dem Mutterleib zu bahnen. Ein anderer marsischer Entwicklungsschritt setzt mit zirka sechs Monaten ein, wenn das Kleinkind seine ersten Zähne bekommt und damit «Biss» entwickelt. Etwa zur gleichen Zeit beginnt es sich auch langsam vorwärts zu bewegen und eigenständig seine Umwelt zu erforschen. Auch die oft als Zerstörungswut interpretierte ungestüme Motorik ist meist Ausdruck reiner Betätigungslust und selten zerstörerische Absicht. Schliesslich ist auch die «Trotzphase» mit etwa drei Jahren ein notwendiger und gesunder Abgrenzungsprozess, der nicht nur die Marskräfte des Kindes stärkt, sondern auch die Marskräfte der Umwelt aufs höchste herausfordert! Wird diese an sich gesunde Ich-Durchsetzung allzu früh durch eine einengende oder restriktive Erziehung unterdrückt oder gar bestraft, mangelt es uns später an Selbstvertrauen – wir sind leichter manipulierbar und damit unter Umständen auch abhängig oder der Spielball unserer Umwelt.

Saturn: Der Strenge

Der Mythos

Nachdem Kronos (röm. Saturn) seinen Vater Uranos auf Geheiss seiner Mutter Gaia entmannt hatte, begann unter seiner Herrschaft eine Zeit, in der Mass und Ordnung herrschten. Doch er lebte in ständiger Angst, da ihm sein Vater sterbend prophezeit hatte, dass auch er, Kronos, eines Tages von einem seiner Söhne entmachtet würde. Daher verbannte er alles Bedrohliche und alle Konkurrenten in die Unterwelt, verschlang seine Kinder und hielt seine Brüder in Fesseln, um so das drohende Unheil abzuwenden.

Damit wurde er zum Inbegriff aller entwicklungshemmenden Kräfte. Durch die List seiner Gemahlin Rhea überlebte aber ihr gemeinsamer Sohn Zeus/Jupiter, der – nachdem er zu einem starken Jüngling herangewachsen war – seinen Vater entmachtete und ihn zwang, die verschlungenen Kinder wieder herzugeben. Dann verbannte er ihn zur Strafe in den Tartaros, den finstersten Teil der Unterwelt. Nach einer späteren Überlieferung wurde Kronos aber letztlich doch von Zeus begnadigt und nach Latium geschickt, wo ihm ein grosses, aber unfruchtbares Gebiet überlassen wurde. Doch Kronos setzte all seine Energie und seinen Ehrgeiz daran, aus diesem öden Flecken Erde ein fruchtbares Land zu machen. Nachdem er sich viele Jahre in Askese, harter Arbeit und eiserner Disziplin geübt hatte, wandelte sich seine Angst und Erstarrung allmählich in Reife und Erkenntnis, und Kronos konnte im hohen Alter noch die Früchte seiner Anstrengung ernten.

Astrologische Bedeutung

In der klassischen Astrologie galt Saturn – im Gegensatz zum Glücksplaneten Jupiter – als das grosse Unheil. Man setzte ihn mit Einschränkung, Angst und Blockaden gleich. Sein Symbol ist das auf den Kopf gestellte Jupiterzeichen und steht für das Kreuz des irdischen Daseins, welches auf der nach Erlösung dürstenden Seele (Halbkreis/Sichel) lastet. Auch seine Transite waren gefürchtet, da sie als Ursache harter Schicksalsschläge gedeutet wurden. Diese einseitige Einschätzung ist im Kontext einer alten Vorstellung zu verstehen, die sich bis ins Mittelalter erhalten hat – diese betrachtete die saturnalen Ordnungs- und Herrschaftsstrukturen als absolut und gottgewollt und verlangte vom einfachen Bürger die rigorose, demütige Unterwerfung unter die Kirchen- und Staatsgewalt. Im Gegenzug wurde ihm dafür der Schutz seiner Existenz und ein Platz im Paradies versprochen. Als mit der Entdeckung von Uranus (1781) die alte saturnale Ordnung gesprengt wurde, trat der Mensch aus der Normierung heraus und erkannte und entfaltete seine Individualität. Durch dieses neue Selbstbewusstsein erschien auch Saturn plötzlich in einem neuen Licht. Er wandelte sich vom äusseren Gesetzeshüter und strengen Richter zum inneren Gewissen – somit befähigt er uns zum selbstverantwortlichen und bewussten Handeln.

Psychologische Bedeutung

Saturn repräsentiert innerhalb des Horoskops das Über-Ich, das uns Schranken setzt und allzu eigenwillige Bestrebungen in Grenzen hält. Diese einschränkende, strukturgebende Funktion erleben wir als Kind zumeist in Form von Regeln und Verboten seitens der Eltern, von Autoritätspersonen oder über gesellschaftliche Normen. Unsere individuelle Freiheit und unsere persönlichen Bedürfnisse stossen dabei auf die Ansprüche und Wünsche anderer. Da diese Einschränkung unseres Egos mit Frustration und Angst verbunden ist, erleben wir saturnische Energie anfänglich vor allem in Form von Verzicht oder Strafe. Mit zunehmender Reife und Bereitschaft zur Eigenverantwortung beginnen wir, die bislang von aussen kommende, grenzsetzende Saturnfunktion zu verinnerlichen, indem wir ihren Sinn verstehen und uns freiwillig einordnen. Mit der Einsicht in die Notwendigkeit von Gesetz und Struktur wächst auch die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und an der Gestaltung einer funktionstüchtigen Gesellschaft mitzuwirken.

Pluto: Der Gnadenlose

Der Mythos

Hades (röm. Pluto) war ein Sohn von Kronos und Rhea, der von seinem machthungrigen Vater gleich nach seiner Geburt verschlungen wurde. Erst nachdem Zeus den gemeinsamen Vater entmachtet hatte, kam er wieder frei und erhielt bei der Begründung der olympischen Ordnung und der Verteilung der Weltherrschaft die Unterwelt. Als Herrscher über das Totenreich lebte er fortan in ewiger Dunkelheit und hatte mit den übrigen Göttern kaum Kontakt. Sein Name bedeutet soviel wie der «Unsichtbare» und steht in Zusammenhang mit seiner Tarnkappe in Form eines Helmes, der ihn bei seinen seltenen Ausflügen auf die Erdoberfläche für die Menschen unsichtbar machte. Sein Name stand aber auch für den öden und freudlosen Ort, an dem in der Vorstellung der Menschen die Schatten der Toten stumpf und mechanisch ihren früheren Tätigkeiten nachgehen. Als Gott war Hades so sehr gefürchtet, dass man es sogar vermied, seinen Namen auszusprechen, aus Angst, ihn damit herbeizurufen. Er wurde von Göttern und Sterblichen gleichermassen gemieden, und wenn die Menschen ihm Opfer brachten, taten sie dies mit abgewandtem Gesicht, um den Gott des Totenreiches nicht unnötig auf sich aufmerksam zu machen. Um ihn gnädig zu stimmen, nannten sie ihn auch «Plouton», was soviel wie «der Reiche» oder «die Fülle» bedeutet und auf den Reichtum der Unterwelt, auf die Bodenschätze und die Fruchtbarkeit der Erde hinweist. Sowohl die Griechen als auch die Römer stellten sich Hades/Pluto als grimmige und gnadenlose, aber nicht ungerechte Gottheit vor. Dargestellt wird er mit finsterer Miene und wildem Haar, in der Hand den Schlüssel zur Unterwelt und an seiner Seite den Höllenhund Zerberus. Ausser mit seinem Raub der Persephone tritt Hades in den Mythen kaum in Erscheinung.

Astrologische Bedeutung

Das Erfahrungswissen über die Wirkungsweise von Pluto ist noch jung. Er gilt jedoch seit seiner Entdeckung (1930) als Schattenplanet schlechthin und hat damit Saturn als «Unglücksbringer» weitgehend abgelöst. Der Planet, der aus astrologischer Sicht mit Macht und Ohnmacht, Stirb und Werde, Transformation und Krisen in Verbindung gebracht wird, beeinflusst uns auf subtile und unterschwellige, aber gleichzeitig höchst wirksame Art und Weise. Im individuellen Horoskop zeigt sich Plutos Drang nach Tiefe und Intensität vor allem über seine Hausstellung und die Aspekte zu persönlichen Planeten, die als Kanal für diese archaischen, unbewussten Kräfte dienen. Allem, was er berührt, verleiht er etwas Extremes, und so bringt er in den entsprechenden Bereichen einerseits immer wieder schmerzhafte Erfahrungen, setzt andererseits aber gerade durch seine unausweichliche Intensität auch initiierende und wachstumsfördernde Prozesse in Gang. Wie bei Uranus und Neptun geht es auch bei Pluto um Kräfte, die sich erst dann als segensreich entpuppen, wenn sie mit zunehmender Reife nicht nur zur Durchsetzung egoistischer Ziele, sondern zum Wohle des kollektiven Ganzen eingesetzt werden.

Psychologische Bedeutung

Pluto steht für all jene Teile unserer Persönlichkeit, die im Schatten liegen oder verdrängt sind, aber auch für tabuisierte Themen und traumatische Erfahrungen. Der Umgang und die Auseinandersetzung mit diesen unterschwelligen, machtvollen Kräften erleben wir besonders in der Kindheit als äusserst bedrohlich. Plutothemen sind häufig Tabuthemen, die sich schlecht mit unseren angstbefrachteten Moralvorstellungen vertragen. Sie werden daher oftmals verdrängt oder verschwiegen und wirken dann aus dem Unbewussten: in Form von scheinbar bedrohlichen Kräften, zugleich beängstigend und faszinierend. In unseren Volksmärchen tauchen sie als Hexen, Zauberer, wilde Monster und feuerspeiende Drachen wieder auf und bieten so vor allem in der Kindheit die Möglichkeit, sich mit diesen dunklen Energien auf der Projektionsebene auseinanderzusetzen. Allerdings gibt es gerade auch im Märchen kein Verbot oder Tabu, das nicht übertreten wird, wodurch oftmals die heile, aber vordergründige oder verlogene Welt zusammenbricht und der eigentliche Wandlungsprozess eingeleitet wird.

Als kleinster und entferntester Planet in unserem Sonnensystem ist Pluto auch die unserem Bewusstsein entfernteste Kraft. Zwar können starke Plutokonstellationen schon früh – meist als Ohnmacht – erfahren werden, eigentliches Bewusstsein über diese zumeist dunklen und machtbesetzten Persönlichkeitsanteile entwickeln wir jedoch selten vor der Lebensmitte. Und das aus gutem Grund. Denn es bedarf in der Tat eines gereiften Egos, das stark genug ist, in die Unterwelt hinabzusteigen, der Schattenseite zu begegnen und diese abgespaltenen Kräfte in die Gesamtpersönlichkeit zu integrieren. Zwar verlieren wir durch diesen Prozess auch unsere «Unschuld» und wirken nicht länger harmlos, dafür gewinnen wir aber an Tiefe und Authentizität.

 

Quellen

Barz, Ellynor: Götter und Planeten, Kreuz Verlag, Zürich 1988.
Sasportas, Howard: Götter des Wandels, Knaur, München 1991.
Weiss, J. Claude; Bachmann, Verena: Pluto – Das Erotische und Dämonische, Edition Astrodata, Wettswil 1989.

© by Brigitte Theler

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