Heft 89 - Zahlensymbolik
Aus "Astrologie Heute", Heft 89
Zahlensymbolik - Das Wesen aller Dinge
Mit Zahlen kann man nicht nur rechnen. Sie können weit mehr ausdrücken als eine Menge. Das mag anfangs verblüffen, doch dann erinnert man sich, dass die Drei und die Sieben als heilig gelten, man die dreifache Sechs dagegen als das Zeichen des Bösen kennt, und die Dreizehn so verteufelt wurde, dass viele Hotels kein 13. Stockwerk haben. Und schon befinden wir uns mitten in der Welt der Zahlenmystik, die uns lehrt, dass Zahlen nicht nur Mengen ausdrücken, sondern neben der Quantität auch jeweils ihre eigene Qualität besitzen.
Dieses Wissen hat im Abendland eine lange Tradition. Es geht auf den griechischen Philosophen Pythagoras zurück, der im 6. vorchristlichen Jahrhundert im süditalienischen Kroton eine Mysterienschule gründete. Als weitgereister Mann schöpfte er sein Wissen aus orientalischen, ägyptischen und indischen Quellen. Zahlen faszinierten ihn zutiefst; sie waren für ihn das Wesen aller Dinge und zugleich die höhere Idee hinter der Welt der Erscheinungen. In der Tat können Zahlen die Dinge gewissermaßen transzendieren. Die Fünf beispielsweise bezieht sich völlig wertfrei auf jede Fünfergruppierung und geht damit über die einzelne, konkrete Gruppe hinaus. Hinzu kommt die spezielle Symbolik ein jeder Zahl, die sich fest in den hermetischen Traditionen des Abendlands, wie der Alchemie und der Magie, aber auch in der Kunst, insbesondere in der Kirchenarchitektur verankert hat. Wer also eine alte Kathedrale betritt oder ein Gemälde der Renaissance betrachtet, sollte dabei das Zählen nicht vergessen! Die Anzahl der dargestellten Personen, der Fenster, der Treppenstufen, der Ecken des Taufsteins ebenso wie der Speichen eines Rades kann sich als guter Schlüssel zur verborgenen Idee, zur tieferen Bedeutung des Kunstwerks erweisen.
Da heute den meisten Menschen dieses Wissen verloren gegangen ist, soll eine kleine Geschichte aus dem alten China veranschaulichen, was es bedeutet, wenn Zahlen auch eine Qualität verkörpern. Sie erzählt (auch in diesem Wort steckt die Zahl!) von einem Krieg bei dem eines Tages 11 Generäle darüber zu entscheiden hatten, ob sie ihre Truppen in die Schlacht schicken oder nicht. Nachdem sie Stunden lang beraten hatten, und alle Strategien und Taktiken durchdiskutiert waren, kam es zur Abstimmung. Das Ergebnis war eindeutig. Acht Generäle stimmten für Rückzug, drei für Angriff, woraufhin sich sofort alle darüber einig waren, angreifen zu müssen, denn die Drei galt im alten China als Zahl der Einheit. Ausschlaggebend war also nicht wer die meisten Stimmen auf sich vereinigte, sondern wer die günstigste Zahl erreichte, nicht die Quantität war entscheidend sondern die Qualität. Leider berichtet uns die Geschichte nicht, ob die Entscheidung klug war und wie die Schlacht damals ausgegangen ist.
Um das Wesen der Zahlensymbolik zu verstehen ist es gut, sich zunächst klar zu machen, dass es dabei nicht um "ausgedachte" Zuordnungen geht. Wie bei jedem echten Symbol handelt es sich auch hier um eine Bedeutung, die sozusagen "vorgefunden" wird, die vom Bewusstsein erkannt, aber nicht gemacht wird. Dieses Symbolverständnis verdanken wir vor allem der Tiefenpsychologie und dabei insbesondere C.G. Jung, der zeigen konnte, dass das Unbewusste sich in Bildern und Symbolen ausdrückt, die es nicht zuvor erlernen muss. Unser Bewusstsein muss dagegen mit dieser Symbolsprache erst vertraut werden, um deren Bedeutung nach und nach immer tiefer zu verstehen, selbst wenn es sie wahrscheinlich niemals umfassend begreifen kann.
Dieses tiefe Symbolverständnis gilt zumindest für die einstelligen Zahlen, denen eine archetypische Qualität zu eigen ist. Sie spielen auch in der Jungschen Traumdeutung eine wichtige Rolle. So kann es beispielsweise sehr bedeutsam sein, wie viele Personen in einem Traum erscheinen. In der Zahlensymbolik bilden diese einstelligen Zahlen das eigentliche Herzstück, wohingegen die zweistelligen in vielen Systemen einfach auf eine einstellige reduziert werden, in dem man ihre Quersumme bildet (z.B. 25 => 2+5 = 7).
In der Astrologie spiegelt sich die Zahlensymbolik in der zentralen Bedeutung der Sieben (Planeten) und der Zwölf (Zeichen/Häuser), beides Zahlen, die zudem einen wichtigen Zeitbezug (Tage/Monate) haben. Aber auch bei der Deutung von Aspekten spüren wir noch etwas von der Qualität der damit verbundenen Zahlen. Besonders anschaulich wird die Bedeutung der Zahlen in den 22 Tarotkarten der Großen Arkana. Und natürlich sind die Zahlen auch umgekehrt ein hervorragender Schlüssel zur Bedeutung dieser Karten, ebenso wie zur Bedeutung von Träumen, von Kunstwerken und sicherlich auch zum Verständnis manch eines Zufalls, über den wir uns im Alltag wundern.