Von der Steinzeit ins Wassermannzeitalter

Von der Steinzeit ins Wassermannzeitalter
Der siderische und der tropische Tierkreis

Astrologie Heute (Nr. 89 Februar/März 2001)
When the moon is in the Seventh House
And Jupiter aligned with Mars
Then Peace will rule the Planets
And Love will rule the stars
This is the dawning of the Age Of Aquarius

Musical Hair

Spätestens seit das Musical Hair in den 60er Jahren das Aufkommen einer neuen Ära besang, ist das Wassermannzeitalter in aller Munde. Wie es scheint, erwarten davon viele, dass nun innerhalb kürzester Zeit die Welt von allen Übeln befreit wird, während andere mit glasklaren Argumenten zu beweisen suchen, dass die Theorie der Weltzeitalter jeder Tradition und vor allem jeglicher Substanz entbehrt. Dieses Konzept, so heißt es, sei von Helena Blavatski Ende des 19. Jahrhunderts erfunden worden und niemals zuvor in der 5000-jährigen Geschichte der altehrwürdigen Astrologie beachtet worden. Worum geht es dabei eigentlich?

Der siderische und der tropische Tierkreis

In ihrer Frühzeit ist die Astrologie aus der Kalenderberechnung hervor gegangen. Aus den zyklischen Himmelsbewegungen ließen sich die richtigen Zeiten für Saat und Ernte ablesen und schon bald ermittelte man daraus auch günstige und ungünstige Zeiten für die Geschäfte und Unternehmungen des Staates. Persönliche Horoskopie taucht dagegen erst viel später auf. So ist der Jahreslauf der erste und wichtigste Bezug der Astrologie. Zu dessen auffallendsten Phänomenen, die der Mensch seit ältesten Zeiten beobachtet, zählen die vier heiligen Stationen, die die Sonne Jahr für Jahr durchläuft: der längste Tag, der kürzeste Tag und die beiden Tag- und Nachtgleichen. Mit der Frühlingstagundnachtgleiche beginnt - im Gegensatz zu unserem heutigen Kalender - der archetypische Jahreslauf. Dieser eindeutig zu ermittelnde Tag bildet in der Astrologie den Beginn des Tierkreises, jener scheinbar die Erde umgebenden Bahn, die für unsere Zeitrechnung so entscheidend wurde. Die Zeit, die die Sonne braucht, um diese Strecke zu durchwandern, nennen wir ein Jahr, und aus der Zeit, die der Mond für die Umrundung der Erde braucht, ging der ursprüngliche Monat hervor. Schon früh hat man diese Bahn in zwölf gleiche Abschnitte untergliedert, die wir heute salopperweise Sternzeichen nennen, und man hat sie nach den Sternbildern benannt, die damals am Himmel in diesen gedachten Sektoren standen - heute nennen wir sie salopperweise .

Aber zu keinem Zeitpunkt waren die Sternzeichen mit den Sternbildern identisch.

Sternbilder kann man am Himmel sehen. Es sind Fixsternkonstellationen völlig unterschiedlicher Größe. Die beispielsweise, das größte dieser Sternbilder, ist fast dreimal so lang wie die kleinsten, und . Demgegenüber handelt es sich bei den sogenannten Sternzeichen um stets gleich große Streckenabschnitte von jeweils 30 Grad im Jahreslauf der Sonne.

Die Tatsache, dass wir es hier mit zwei Kreisen zu tun haben, hat schon für viel Verwirrung und manche unsinnige Behauptung gesorgt.


Sternzeichen und Sternbilder:
innen der tropische und aussen der siderische Tierkreis
(die Sonne steht am Frühlingspunkt)

Die Astrologie beschäftigt sich mit Sternzeichen, also mit den gleichen Segmenten im Kreis, der aus dem Jahreslauf der Sonne hervorgeht. Man nennt ihn den tropischen Tierkreis (von griechisch tropai = Wende, Sonnenwende). Dort beginnt Jahr für Jahr der Streckenabschnitt Widder mit der Frühlingstagundnachtgleiche, zur Zeit der Sommersonnenwende, betritt die Sonne dann am längsten Tag den Streckenabschnitt Krebs, bei der Herbsttagundnachtgleiche wechselt sie in die Waage und am kürzesten Tag betritt sie mit der Wintersonnenwende den Abschnitt, den wir Steinbock nennen.

Die Astronomie dagegen befasst sich mit dem siderischen Tierkreis (von lateinisch sidus = Stern), der sich aus den Sternbildern am Fixsternhimmel ergibt, die vor langer Zeit hinter den Sternzeichen des tropischen Kreises gestanden haben und ihnen ihre Namen gaben. Inzwischen aber ist dieser Fixsternhimmel weiter gewandert; denn infolge einer Kreiselbewegung der Erdachse, scheint sich der Tierkreis um die Erde zu drehen. Diese Bewegung, die man Präzession nennt, ist mit einem Grad in 72 Jahren zwar recht langsam, aber über die Jahrhunderte addieren sich auch diese kleinen Schritte zu einer bemerkenswerten Strecke. In ungefähr 2160 Jahren sind es 30 Grad, immerhin ein Zwölftes des Kreises. Eine ganze Umrundung, die damit etwa 25 920 Jahre dauert, nennt man seit alters her ein platonisches Jahr.

Am Jahreslauf der Sonne aber hat sich in all den Jahrtausenden nichts geändert. Nach wie vor erreicht sie Jahr für Jahr am Tag der Frühlingstagundnachtgleiche den Beginn ihrer Umlaufbahn, dessen erste 30 Grad die Astrologen nennen. Zugleich aber sagt ein heutiger Astronom, dass sie im Sternbild steht. Beide haben recht. Man muss nur wissen, worauf die Aussage bezug nimmt. Spricht man von Sternzeichen im tropischen Tierkreis, also den gleichlangen und gleichbleibenden Streckenabschnitten im Jahreslauf der Sonne um die Erde, oder spricht oder von den unterschiedlich großen Sternbildern des siderischen Tierkreises am Fixsternhimmel, die ganz langsam weiterziehen? Damit wird das beliebteste Argument gegen die Astrologie hinfällig, der ja immer wieder vorgeworfen wird, dass sie Planeten in Sternbildern vermute, in denen sie schon seit mindestens 2000 Jahren nicht mehr stünden. Wer so argumentiert, hat nicht verstanden, dass es dabei um zwei unterschiedliche Bezugssysteme geht, um zwei Kreise, die beide richtig sind und bei denen sich jede Position von dem einen Kreis jederzeit exakt auf den anderen "umrechnen" lässt.

Die Weltzeitalter

Nur für eine Feststellung betrachtet die Astrologie den Fixsternhimmel, nämlich zur Berechnung des jeweiligen Weltzeitalters. Das Sternbild, in dem die Sonne steht wen sie zum Frühlingsbeginn das Sternzeichen Widder betritt, zeigt uns an, in welchem Zeitalter sich die Menschheit befindet. Das war für die letzten ca. 2000 Jahre das Sternbild Fische, weshalb wir heute vom zu Ende gehenden Fischezeitalter sprechen. Da die Bewegung »rückwärts« durch den Tierkreis geht, wird die Sonne in den kommenden ca. 2000 Jahren stets im Sternbild Wassermann stehen, wenn sie auf ihrer Laufbahn den Frühlingspunkt erreicht.


Hieronymus Bosch: Narrenkönig
Ausschnitt aus- Die Anbetung der Könige
Wenn das so klar ist, stellt sich natürlich die Frage, warum so wenig Einigkeit darüber besteht, wann das neue Zeitalter denn nun tatsächlich beginnt. Während viele den Beginn an den Anfang des 20.Jahrhunderts gelegt haben, halten andere die außerordentliche Ballung aller sieben klassischen Planeten im Zeichen Wassermann Anfang Februar 1962 für den himmlischen Auftakt dieses neuen Äons. Noch andere gehen viel weiter zurück. Sie sehen bereits im erwachenden Humanismus der Renaissance die wassermännischen Ideen zum Durchbruch kommen. In der Malerei jener Zeit löst sich der Mensch erstmals aus der unscheinbaren und unpersönlichen Darstellung alter Meister heraus, gewinnt markante, individuelle Züge und tritt wahrhaft rahmenfüllend ins Bild. Einige vermuten sogar in den bis heute geheimnisvollen Gemälden des Hieronymus Bosch Visionen dieses neuen Zeitalters. So etwa im Narrenkönig, den er aus bislang nicht hinreichend erklärten Gründen den heiligen drei Königen zur Seite stellt vor allem aber in der nach wie vor rätselhaften Symbolik, sowie der Freizügigkeit seines Gartens der Lüste. Einmal ganz abgesehen von der Merkwürdigkeit, das Bosch Triptychons malte, die seinerzeit ausschließlich in Altarräumen aufgestellt wurden. Doch welche mysteriöse Kirche könnte diese Bilder in Auftrag gegeben haben?

Auch damals - im Januar 1405 - standen immerhin fünf der klassischen Planeten im Zeichen Wassermann. Akribische Rechner aber betrachten die Himmelsbewegungen und kommen zu dem Schluss, dass die Sonne in unserer Zeit am Tag der Frühlingstagundnachtgleiche immer noch in den letzten Graden des Sternbilds Fische steht und deshalb vor dem Jahre 2500 vom Wassermannzeitalter keine Rede sein kann. Was nun?

Der Grund für die Uneinigkeit liegt einfach in den höchst unterschiedlichen Größen der Sternbilder am Himmel. Die Astrologie ist gewohnt, mit den stets 30° langen Sternzeichen zu rechnen, weshalb es bei der Erstellung eines Horoskops keinerlei Unsicherheiten gibt. Die Sternbilder, die wir zur Ermittlung der Weltzeitalter betrachten, sind aber in ihrer Ausdehnung völlig verschieden und es gibt zudem - angesichts ihrer Zwischenräume - bislang auch zu wenig Erfahrungswerte, wo die "Wirkung" des einen Sternbilds denn nun genau aufhört, und die des nächsten beginnt. Da helfen auch die seit etwa 80 Jahren international anerkannten Sternkarten nicht weiter. Ob die Grenzen, die dort die Sternbilder voneinander trennen auch für die Wechsel der Weltzeitalter relevant sind, ist ungewiss und noch zu wenig erforscht. Letztlich tut das aber wenig zur Sache, da derartig große Epochen ohnehin nicht mit einem Paukenschlag beginnen sondern in langen Übergangsphasen entstehen. Aus diesen Gründen finden Sie im weiteren auch nur auf jeweils 2000 Jahre gerundete Zeitspannen für die jeweiligen Zeitalter.

Hieronymus Bosch: Triumphzug um das Lebenswasser
Ausschnitt aus- Garten der Lüste

Aion (der Gott der ewig sich erneuernden Zeit)
Schon die Antike kannte die Vorstellung von Weltzeitaltern, die man seither nach dem altiranischen Gott Aion auch Äonen nennt. Doch obwohl das langsame Vorrücken des Fixsternhimmels vermutlich schon den Babyloniern, ganz gewiss aber seit dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert in Griechenland bekannt war, haben wir keinerlei Hinweise darauf, dass man auch damals schon von astrologischen Weltzeitaltern ausging. Vielleicht ist dieses Vorstellung tatsächlich ein Kind der Neuzeit, aber ist sie deshalb weniger richtig? Gewiss geht es nicht darum alle Erscheinungen, Entwicklungen und Ereignisse eines Äons mit zwanghafter Akribie vom jeweiligen Sternbild herzuleiten. Das kann nur zu einer Flut von Widersprüchlichkeiten führen. Aber es gibt höchst interessante Analogien, die eine überzeugende Verbindung schaffen zwischen dem archetypischen Hintergrund des Sternbildes, das ein Weltzeitalter regiert und dem jeweiligen Zeitgeist. Dabei ist es vor allem eine sehr bedeutsame Entwicklung, die auffällig mit den Weltzeitaltern der historischen Zeit korrespondiert, und das ist die Wandlung des Gottesbildes, die wir im Folgenden betrachten:

Die verschiedenen Gottesbilder der Zeitalter

Das Zwillingezeitalter
Beginnen wir in der Jungsteinzeit mit dem Zwillingezeitalter (6000 bis 4000 vor der Zeitenwende), das in einem Zeitraum liegt, den Historiker die Vorzeit nennen. Unser Wissen darüber ist gering und Aussagen über Kulte und Gottesvorstellungen sind spekulativ. Der unstete Zwillingsgeist aber entspricht ganz und dem im Nomadentum jener Zeit mit dem ihm eigenen Gottesbild. Es ist die Pansophie, die Lehre von der beseelten Natur, der heiligen Landschaft wo sich in jedem Strauch, in jeder Quelle oder im Hauch des Windes ein Gott, eine Göttin offenbaren kann. Der Boden ist heilig und kein Mensch käme je auf den Gedanken, sich Besitzrechte an Mutter Erde anzumaßen. Darüber hinaus erfährt typischerweise der Mond eine große Verehrung, da er als großer Wanderer, der jede Nacht in anderer Gestalt an einem anderen Orte erscheint, ein himmlisches Vorbild aller Nomaden ist. Wohl deshalb ist er bis heute als Halbmond das Zeichen des Islams, jener Weltreligion, deren Anhänger zu einem Großteil noch bis in die jüngste Zeit nomadisierten.

Das Stierzeitalter
In der historischen Zeit können wir bis auf das Stierzeitalter (4000 bis 2000 vZ) zurückblicken und finden dort Kulte und Religionsvorstellungen, die dem Archetyp des Bauern entsprechen, der das Zeichen Stier verkörpert. Es ist die Zeit der Sesshaftwerdung, der Beginn der Gartenbaukulturen und des Ackerbaus, worin sich typische Stierqualitäten ebenso spiegeln wie in der Neigung, Erreichtes abzusichern und trotzig zu verteidigen. Die zeigt sich im aufkommenden Städtebau und findet ihre bis heute größte Manifestation in der chinesischen Mauer, die im Stierzeitalter erbaut wurde, um den sesshaften Völkern Schutz vor den Überfällen der Nomaden zu gewähren. In der Astrologie gilt der Stier als eines der weiblichsten Zeichen. Dementsprechend huldigte die Menschheit in jener Zeit der Großen Mutter, die als Himmelskönigin unter zahlreichen Namen wie Kybele, Diana, Artemis, Astarte, Hathor, Ischtar und Inanna verehrt wurde, während sich auf Erden zahlreiche Stierkulte finden. Ein letztes uns bekanntes Aufflammen dieses Ritus, war der berühmte Tanz um das goldene Kalb, von dem das Alte Testament berichtet. Aber zu dieser Zeit waren Stierkulte schon verpönt, die Welt befand sich bereits im Widderzeitalter und der gehörnte Moses nahm soeben auf dem Sinai die göttlichen Gesetze der neuen Religion in Empfang (Abb. Michelangelos gehörnter Moses)

Das Widderzeitalter
Mit Aufkommen des Widderzeitalters (2000 vZ bis zur Zeitenwende), dem als Archetyp der Krieger entspricht, werden die Götter kriegerisch, wie wir es vom alttestamentarischen Gott Jahwe nicht nur beim Kampf um Jericho lesen, oder von den olympischen Göttern beim Krieg von Troja. In der Astrologie gilt der Widder als das diesseitsbezogenste Zeichen, dem entspricht die völlig untranszendente, rein vermenschlichte Gottesvorstellung vor allem bei den Griechen und Römern. Götter sind wie Menschen, bis auf den Unterschied, dass sie ewig jung und zudem unsterblich sind. Dem Widder sagt man Egoismus nach, und auch der ist neben unberechenbaren Wutanfällen ein typisches Merkmal der Gottheiten jener Zeit, die vom Menschen Gehorsam, Rauch- und Trankopfer fordern und sich ansonsten nicht sonderlich um ihn kümmern. Und wen wundert es bei der Machoqualität des Zeichens Widder, dass der Himmel von nun an von männlichen Göttern regiert wird, während die großen Göttinnen dämonisiert wurden und früher oder später in der Unterwelt wenn nicht in der Hölle landen? Am bekanntesten und zugleich tragischsten ist wohl die Dämonisierung Evas, der Urmutter der Menschen, deren Name "Mutter alles Lebendigen" bedeutet. In älteren Version der bekannten Geschichte war sie die Herrin des Paradiesgartens und die Schlange ihr Gefährte. Mit ihrer Verfluchung aber wird Eva zur Trägerin der Urschuld und ihr weiteres Schicksal wird in der Bibel mit keinem Wort erwähnt.

Das Fischezeitalter
Seit der Zeitenwende bis in unsere Tage leben wir im Fischezeitalter. Diesem Zeichen entspricht als Archetyp der Mystiker, was sich in der Mystifizierung des Göttlichen spiegelt, wie wir sie im christlichen Mysterium der Dreieinigkeit finden und später auch im Sufismus des Islams. Die völlig neue Vorstellung, dass Gott die Liebe ist, entspricht der Fischesymbolik ebenso wie die Opfer- und Erlösungsthematik, die sich im Bild des Gottes findet, der sich selbst opfert um dadurch die Menschen zu erlösen. Und wer will, der kann auch die Widersprüchlichkeit dieser Gottesvorstellung als mystische Wahrheit verstehen: Der Schöpfergott, dem bei der Schöpfung mit der Entstehung des Bösen offenbar ein Fehler unterlaufen ist, empört sich darüber derartig, dass er die sündig gewordenen Menschen kurzerhand aus dem Paradies vertreibt. Nachdem ein paar Jahrtausende vergangen sind, schickt er seinen Sohn auf die Erde, der hier freiwillig den Tod erleiden muss, damit Gottvater selbst sich mit seiner missratenden Schöpfung versöhnt. Das darf man nun wirklich nicht rational hinterfragen, sondern kann es nur als mystische Wahrheit verstehen.

Das Wassermannzeitalter
Und was ist, so gesehen, vom aufkommenden Wassermannzeitalter zu halten? In der historischen Zeit wird damit erstmals ein Weltzeitalter von einem Sternbild regiert, dass einen Menschen darstellt. Und der Archetyp, der die Wassermannidee verkörpert, ist der Humanist. Dem entspricht die Tatsache, dass der Mensch in den Mittelpunkt tritt und sich selbst mehr und mehr als ein Teil des Göttlichen begreift. Das sollte nicht als Anmaßung missverstanden werden, dass der Mensch sich nun gottgleich wähnt. Aber könnte es nicht sein, dass in dieser Schöpfung eine göttliche Kraft um Bewusstwerdung ringt, und wir Menschen an diesem Prozess vorrangig teilhaben, weil wir zu Trägern des Bewusstseins geworden sind?

Es gibt aber noch zahlreiche weitere Phänomene, die spürbar erkennen lassen, wie sehr das Wassermannprinzip unsere Wertvorstellungen und unseren Zeitgeist prägt. Zu den auffallendsten Merkmalen des Wassermanns gehören bekanntlich das Streben nach Unabhängigkeit sowie der Abbau von Hierarchien und Schranken aller Art. Führt man sich vor Augen, wie die vergangenen zwei Jahrhunderte von Unabhängigkeitsbestrebungen, Unabhängigkeitskriegen und Unabhängigkeitserklärungen geprägt waren, wie Kolonien sich aus der Bevormundung befreiten, wie aber auch der Abbau zwischen Rassen, Klassen und den Geschlechtern aufkam und voran getrieben wurde, dann ist es gewiss nicht falsch, davon auszugehen, dass die französische Revolution den Beginn des Wassermannzeitalters darstellt. Dies um so mehr, als dass deren Parolen: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit wassermännischer nicht sein können.

Im Tierkreis steht der Wassermann dem Löwen gegenüber, der dem Archetyp des Königs entspricht. Die Rolle des Gegenspielers übte der Wassermann in alter Zeit als Narr aus, dem einzigen Ratgeber, der dem König die Wahrheit sagen durfte. Seit der französischen Revolution aber mutierte der Narr zum Rebellen, der den König vom Thron stößt. Vielleicht klingt das in dem merkwürdigen Narrenkönig an, den Hieronymus Bosch als vierten zu den heiligen drei Königen gesellt. Besonders faszinierend aber ist es zu beobachten, wie der Geist der Neuzeit darum ringt, dem Wassermannprinzip auf einer besonders schwierigen Ebene gerecht zu werden: die seit der Antike bestehende, scheinbar unüberwindliche Kluft zwischen Glauben und Wissen muss geschlossen werden. Die Religion des neuen Zeitalters darf nicht im Widerspruch zum Wissen stehen, ebenso wie die Wissenschaft sich nicht länger nahezu zwangsneurotisch gegen alles abschirmen darf, was sich nach Religion, Spiritualität oder Transzendenz anhört. Noch sind diese Berührungsängste hoch. Noch kann man sich nicht recht vorstellen, dass der wissenschaftliche Geist seine so ausgeprägte Bevorzugung der nackten Fakten aufgibt und wieder beginnt, die Frage nach Sinn und Bedeutung zu stellen. Noch absurder aber scheint der Gedanke, dass eine Religion wissenschaftlich beweisbar sein könnte. "Dann wäre es ja keine Religion mehr," denken viele. So tief ist das Bild dieses unüberwindbaren Widerspruchs zwischen Glauben und Denken in uns verankert. Und dennoch sprechen viele Anzeichen dafür. Sie zu erkennen und zu beobachten gehört zu den aufregendsten Phänomenen unserer Zeit.

Zeitepoche
(cirka)
Zeitalter Archetyp des
Sternbilds
religiöse Idee der Epoche Ausdrucksform
-6000 bis -4000 Zwillingezeitalter der Unstete Pansophie, Animismus, Naturverehrung heilige Landschaft
-4350 bis -2250 Stierzeitalter der Bauer Animismus
Naturverehrung
Stierkulte
Pansophie
Muttergottheiten
-2250 bis -150 Widderzeitalter der Krieger kriegerische, eifersüchtige egoistische Götter männliche Götter,
die Olympier, Jahwe
-150 bis 1950 Fischezeitalter der Mystiker Mystifizierung des Göttlichen,
allumfassende Liebe
Christentum,
mystischer Islam
1950 bis 4050 Wassermann- zeitalter der Humanist der Mensch begreift sich als Teil des Göttlichen Tiefenpsychologie,
Philosophie, Chaosforschung

Interessante, geistreiche und kritische Internetseiten zum Thema:
http://www.greatdreams.com/aquarius.htm
http://www.sternwelten.at/ar_wassermannzeitalter.shtml

Worterklärungen
- Präzession (lat. Vorrückung) = das langsame Vorrücken des Fixsternhimmels
- Triptychon (griech.) = dreiteiliges Altarbild mit festen Mittelteil und zwei Flügeln.
- tropischer Tierkreis (von griech. tropai = Wende, Sonnenwende) = die Bahn, die die Sonne und alle anderen Planeten um die Erde ziehen und als deren Beginn der Frühlingspunkt gilt.
- siderischer Tierkreis (von lat. sidus = Stern) = der Kreis, der sich aus den sichtbaren Sternbildern zusammensetzt, die jedoch unterschiedlich lang sind, sich zum Teil überlappen und andererseits auch große "Lücken" aufweisen.